Das Problem mit Hundeanalogien im Anti-Speziesismus
"Was, wenn es Hunde wären?" ist eine Aussage, die wir in der veganen Öffentlichkeitsarbeit häufig zu hören bekommen, zumindest in "westlichen" Ländern. Die betroffene Person zeigt dabei meistens Filmmaterial aus einer Versklavungs- oder Schlachteinrichtung und fragt die Öffentlichkeit: "Was wäre, wenn es Hunde wären? Würden Sie sich anders fühlen?" Hundevergleiche sind weit verbreitet, und das hat einen Grund: Viele Menschen lieben - oder meinen es zumindest - Hunde. Im "Westen" sind wir mit Hunden sozialisiert geworden; wir sind darauf konditioniert, sie anders zu bewerten als andere nicht-menschliche Tiere. Hunde werden als Haustiere gehalten; sie sind Freunde; sie sind Familienmitglieder. Hundevergleiche erlauben es der Person, die angesprochen wird, das, was sie sieht, auf jemanden zu übertragen, der ihr wichtig ist, und sich zu fragen: "Wenn ich einem Hund nicht schaden möchte, warum sollte ich dann einem Schwein schaden?" Doch so wirkungsvoll diese Vergleiche auch sein mögen, sie sind problematisch. Hier ist der Grund:
1. Die Vergleiche implizieren, dass Hunde nicht von der Problematik betroffen sind
Wenn jemand sagt "was wäre, wenn sie Hunde wären", impliziert diese Person, dass Hunden das verglichene Leid nicht widerfährt. Und das ist faktisch falsch: Auch wenn die "westliche" Gesellschaft Hunde als einzigartig ansieht und sie nicht zu Nahrungszwecken missbraucht, sind Hunde immer noch Opfer von speziesistischer Gewalt. Beagles werden in der Vivisektion gequält; Windhunde werden in der Rennindustrie versklavt und ermordet; Hunde werden von Jägern, der Polizei oder dem Militär in gefährliche Situationen gebracht und auf Aggressivität getrimmt; Hunde, die innerhalb menschlicher Gemeinschaften autonom leben, werden eingefangen und in Tierheime und Tötungseinrichtungen gebracht, wo sie höchstwahrscheinlich "euthanasiert" werden (das ist das Wort, das diese Einrichtungen für die Tötung der Tiere verwendet, aber Euthanasie ohne Zustimmung kann eigentlich nur als Mord bezeichnet werden); sie werden in Massen gezüchtet, um unseren Wunsch nach Gesellschaft zu befriedigen, wobei Mütter und Kinder, die nicht die gewünschten Eigenschaften aufweisen, oft wie Müll entsorgt werden; man verweigert ihnen ihre natürliche Entwicklung und manipuliert sie genetisch damit sie Eigenschaften aufweisen, die für uns wünschenswert, aber für Hunde oftmals eine negative Auswirkung haben - bis hin zu dem Punkt, an dem einige Hunderassen als Folge des menschlichen Schönheitsempfindens schwere gesundheitliche Probleme entwickeln. Diese Liste ist nicht endgültig. Selbst in der bestmöglichen Situation, in der ein adoptierter Hund in eine liebevolle, nicht-speziesistische Familie aufgenommen wird, ist er immer noch legales Eigentum, was mit starken Einschränkungen seiner Freiheit einhergeht und eine erzwungene Abhängigkeit darstellt.
2. Die Vergleiche machen die Definition von Speziesismus unklar
Indem wir implizieren, dass Hunde gegenüber anderen nicht-menschlichen Tieren privilegiert sind oder dass die als Haustiere ausgebeuteten Hunde keine Opfer von Speziesismus sind, begünstigen wir eine verschwommene Definition des Speziesismus-Begriffs. Mit Phrasen wie "warum den einen essen und den anderen lieben?", "wo ziehen Sie die Grenze?" oder "der einzige Unterschied ist deine Wahrnehmung" deuten wir eine auf Spezies basierende Voreingenommenheit und Diskriminierung an und stellen fest, dass es ein System der Hierarchien der Spezies gibt, was aber nicht das ist, was Speziesismus im Kern darstellt. Beim Speziesismus geht es nicht darum, Nicht-Menschen bestimmter Spezies zu lieben und andere gewaltsam auszubeuten, sondern Speziesismus stellt die Verweigerung dar, Angehörige anderer Spezies als eigenständige Individuen zu betrachten und sie stattdessen nur aufgrund ihrem Nutzen für den Menschen zu bewerten. In dieser speziesistischen Welt werden Hunde, genau wie andere nicht-menschliche Tiere, immer noch für die Zwecke, die sie erfüllen sollen, bewertet und nicht als Personen betrachtet - egal ob dieser Zweck ein Haustier zu sein, ein Job auszuführen, dem sie nicht zugestimmt haben, oder etwas noch Schlimmeres ist. Als Anti-Speziesisten sollten wir immer deutlich machen, was Speziesismus ist und warum wir ihn bekämpfen.
3. Die Vergleiche appellieren an den Speziesismus, anstatt ihn zu bekämpfen
Genauso wie die Verwendung von "sie ist die Tochter von jemandem" genutzt wird, um sexistische Äusserungen eines (cis-het-man) Politikers anzuprangern, problematisch ist, weil es an die wahrgenommenen Funktionen und Rollen von Frauen im Patriarchat appelliert, anstatt an ihre Persönlichkeit (mit anderen Worten, es appelliert an Sexismus, anstatt ihn zu bekämpfen), sind Hundevergleiche problematisch, weil sie an Speziesismus appellieren. Die Vergleiche appellieren an die wahrgenommene Funktion eines Hundes als Haustier, als Begleiter, als Accessoire, und stellt in Frage, warum diese Funktion bestimmten Spezies vorbehalten ist, anstatt zu hinterfragen, warum Nicht-Menschen überhaupt eine Funktion haben oder dem Menschen dienen sollten. Besonders Schweine und Kühe werden oft nur aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Hunden als moralische Rechte verdienend angesehen, anstatt dass anerkannt wird, dass sie Personen mit Interessen sind. Anti-Speziesisten wollen nicht, dass andere ausgebeutete nicht-menschliche Tiere wie Hunde gehalten und somit einfach anders ausgebeutet werden. Wir wollen, dass alle Tiere als Personen wahrgenommen und damit einhergehend mit Respekt behandelt werden.
4. Was können wir also stattdessen tun?
Wenn man die Hunde-Analgie verwenden möchte, sollte man darauf achten, dass man dies auf eine nicht-speziesistische Art und Weise tut. Eine mögliche Option könnte sein, bei der Einführung der Analogie zunächst eine Vereinbarung mit dem Gesprächspartner zu treffen, dass Hunde ebenfalls Personen sind. Das kann relativ einfach vor sich gehen, vor allem, wenn mit einem Menschen gesprochen wird, der mit Hunden lebt oder gelebt hat und selbst beobachtet hat, dass Hunde Persönlichkeiten, Wünsche und Interessen haben - genau wie alle anderen Tiere. Statt "Wäre es für Sie in Ordnung, Hunde zu töten?" könnte man fragen "Glauben Sie, dass Hunde Individuen sind, die einen inhärenten Wert und ein Recht auf Leben haben?", und versuchen, dieses Konzept auf andere nicht-menschliche Tiere auszudehnen. Aber warum sollten wir überhaupt Hunde als Beispiele verwenden? Wir könnten die Person einfach fragen, ob es moralisch vertretbar wäre, Menschen als blosse Ressourcen auszunutzen (Randbemerkung: der Kapitalismus tut das irgendwie), und erklären, warum das nicht der Fall sein sollte. Schliesslich sind die Gründe, warum wir nicht-menschliche Tiere nicht ausbeuten sollten, dieselben Gründe, warum wir Menschen nicht ausgebeutet werden wollen. Wir sind alle Tiere.
Der Mensch, der diesen Aufsatz geschrieben hat, teilt sein Leben mit einem Hundegefährten, den die Person innig liebt. Die Position von ASA (und The Animalist) in Bezug auf das Zusammenleben mit nicht-menschlichen Tieren ist, dass wir dafür sind, Individuen zu adoptieren und zu betreuen, die andernfalls ermordet würden, ihren Status als nicht-menschliche Personen zu respektieren, ihnen, wenn möglich, veganes Essen zu geben und vehement gegen die genetische Manipulation und Zucht aller nicht-menschlichen Tiere einzutreten, einschliesslich - aber nicht beschränkt - innerhalb der Haustierindustrie.