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«Open Rescue» – Tierbefreiungen demaskiert

Lara Biehl, 25.01.2024

Die Befreiung nicht-menschlicher Tieren aus Farmen, Laboratorien und anderen Einrichtung ist fester Bestandteil der Tierbefreiungsbewegung. Tierbefreiungen werden in zwei verschiedene Aktionsformate eingeteilt: verdeckt-anonyme und offene. Erstere werden üblicherweise mit der Animal Liberation Front (ALF) identifiziert. ALF-Tierbefreiungsaktionen sind dadurch gekennzeichnet, dass die teilnehmenden Akteure schwarze, neutrale Kleidung und Sturmhauben tragen, um ihre Identitäten zu verschleiern. Seit Mitte der 1990er Jahre existieren neben verdeckten Tierbefreiungsoperationen vermehrt sogenannte Open Rescues. Die Open Rescue, wie der Name schon suggeriert, ist nicht verdeckt. Die Aktivist:innen geben ihre Identität nach der Aktion Preis und veröffentlichen die gesamte Dokumentation der Befreiung im Video- oder Bildformat entweder über konventionelle Medien, Websiten oder Social Media. Durch die Offenlegung der Identität sind Open Rescues einfacher dem zivilen Ungehorsam zuzordnen als verdeckte Befreiungen, was wiederum auf mehr Verständnis bei der Bevölkerung stossen kann. Open Rescues bergen aber auch Risiken. Das Aufdecken der Identität birgt für Aktivist:innen Überwachung und Haftstrafen zur Folge haben. Es sind aber nicht nur Aktivist:innen einem erhöhten Risiko ausgesetzt, ihre Freiheit aufs Spiel zu setzen, sondern auch die geretteten Tiere, die über die Identität der Aktivist:innen identifiziert, gefunden, wieder eingesperrt oder getötet werden können. Folglich wird diskutiert, welche strategischen Vorzüge die Aktionsform hat und welche Risiken sie birgt.

Tierbefreiung demaskiert: Die Entstehung der Open Rescue

Die erste Open Rescue fand 1993 statt und war eine Reaktion der australischen Aktivistin Patty Mark auf verdeckte Aufnahmen des Legehennenbetriebes „Alpine Poultry“, die ihr eine Bekannte, die dort arbeitete, zukommen liess. Die Aufnahmen zeigten Tausende Hennen, die in kleine Gitterkäfige eingepfercht waren. Zu sehen war, wie Hennen, die aus den Käfigen entkommen konnten, zwischen den Käfiggittern feststeckten oder im Bereich unter den Käfigen gefangen waren. Die Tiere starben einen langsamen und qualvollen Tod und die Mitarbeiter zeigten gegenüber den leidenden Hennen keine Empathie. Mark war die grausame Behandlung der Legehennen bekannt. Sie hatte sich bereits aktiv, aber erfolglos, gegen die Batterienhaltung von Legehennen ausgesprochen und sich an legalen sowie illegalen Protesten beteiligt.1 Nachdem Mark belastende Videobeweise gegen die „Alpine Poultry“ den Behörden vorlegte, reagierten diese erneut nicht und liessen die Tierquälerei gewähren. Sie entschied sich als Folge, die Rettung der Hennen in die eigene Hand zu nehmen.2 Am 5. März 1993 brachen Mark und befreundete Aktivist:innen in den Betrieb ein und nahmen die kränksten und schwächsten Tiere mit. Mit umfangreichen Video- und Bildaufnahmen dokumentierten sie die Lebensbedingungen der Hennen. Im Anschluss informierten die Beteiligten die Polizei und die Medien und schilderten den Vorgang der Aktionen. Unter dem Titel „The Dungeons of Alpine Poultry“ wurden die Bilder medial aufbereitet und scharfe Kritik an der Eierfabrik geübt. Die Medien portraitierten aber nicht nur das Leid der Hühner, sondern auch die Rolle der Aktivist:innen und ihre Entscheidung, sich öffentlich zu der Aktion zu bekennen. Vor allem Letzteres führte zu einer anderen Wahrnehmung von Tierbefreiungen.3

Offene Tierbefreiungen finden vor allem bei jüngeren Aktivist:innen Zuspruch und werden gegenüber verdeckten Aktionen bevorzugt. Der Erfolg und die heutige Beliebtheit dieser Aktionsform kann am einfachsten durch drei Ansätze erklärt werden:

  • Historisch-strategischer Ansatz: Der für die Konsument:innen nicht spür- oder sichtbare Aufbau der Massentierhaltung führte zur Distanzierung der Verbraucher:innen mit dem konsumierten Produkt. Öffentlich gemachte Tierbefreiungen, die Dokumentation der Lebensbedingungen der nicht-menschlichen sowie die Portraitierung des Menschen in der Rolle des Befreiers, versuchen diese Distanzierung aufzuheben. Diverse Kampagnen aus dem Tierrechtsaktivismus zeigen, dass schockierende Bildmaterialien, wenn richtig präsentiert, eine grosse Reichweite erlangen und Veränderungen provozieren können. Offenheit führt angeblich zu mehr positivem Interesse an den Geschehnissen als Anonymität und ermöglicht Raum für Gespräche und Debatten.
  • Ideologischer Ansatz: Die Open Rescue ermöglicht es Aktivist:innen das unbefugte Betreten von privatem Raum sowie das illegale Entwenden von nicht-menschlichen Tieren als einen Akt zivilen Ungehorsams zu rechtfertigen, was bei verdeckten Befreiungen, die mit Sachbeschädigung einhergehen, schwieriger ist.
  • Repräsentativer Ansatz: Die gezielte Abgrenzung zur ALF ermöglicht es Open Rescue-Aktivist:innen sich vom negativen Image verdeckter Aktionen zu distanzieren.

Im Folgenden werden alle drei Faktoren diskutiert.

Patty Mark Patty Mark - die Gründerin der Open Rescue6

Der historisch-strategische Ansatz: Aufklärung durch Bildmedien

a.) Der heimliche und rasante Aufstieg der intensiven “Nutztierhaltung”

Die ersten Open Rescues unter Marks Leitung wurden stark medial aufbereitet und in ganz Australien diskutiert. Massentierhaltung und intensive “Nutztierhaltung” waren für viele Menschen keine alltäglichen Begriffe.4 Aktivist:innen nahmen diese allgemeine Unwissenheit oder Ignoranz gegenüber den Schrecken der modernen Tierausbeutung zur Kenntnis und setzten vermehrt Bildmedien als effektive Strategie zur Aufklärung ein. Sie stützten sich dabei auf die These, dass durch den fast heimlichen aber rasanten Aufstieg der intensiven “Nutztierhaltung” die Menschen den emotionalen sowie empathischen Zugang zu den Lebewesen verloren haben, die als Nahrungsmittel verkauft werden und nur die Konfrontation mit der Realität eine Verhaltensänderungen provozieren vermag.5

Die Entwicklung zu immer weniger, aber dafür intensiver genutzten und grösseren Farmen, zieht sich bis heute fort.7 Im Beispiel von Australien ist die Anzahl von Farmen zwischen den Jahren 1982 bis 2003 um einen Viertel zurückgegangen, wobei sich der Konsum von tierischen Erzeugnissen stetig gesteigert hat.8 Das intensive Halten von Tieren auf kleiner Fläche ermöglicht nicht nur die effizientere Nutzung von Land, sondern führt auch zur Kostensenkung von Personal, Reinigung und Futter.

Die intensive Tierhaltung entwickelte sich im Verlauf des 18. zum 19. Jahrhundert. Die freie Haltung von Tieren rund um Bauernhöfe und in urbanen Gegenden verlagerte sich auf abgelegene, industrialisierte und zentralisierte Farmen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war die Erfindung neuer Technologien und die darauffolgende ökonomisch strategische Nutzung von Raum. Maschinelle Arbeitsabläufe lösten einzelne Arbeiter:innen ab und Farmmitarbeiter:innen betrachteten sich vermehrt als Produzent:innen als als “Fürsorger:innen”.9 Die Entwicklung hin zur intensiven Haltung von nicht-menschlichen Tieren ist nur zu einem gewissen Teil ökonomisch zu erklären. Profitmöglichkeiten haben eine essenzeille Rolle gespielt, doch die Aufbereitung von günstiger und allen Gesellschaftsschichten zugänglicher tierischer Nahrung war auch ein Mittel, Mangelernährung vorzubeugen und den allgemeinen Lebensstandard zu erhöhen, da der Konsum von Fleisch ein Statussymbol und Zeichen des Wohlstandes war.10

Das ökonomische Potential der intensiven Tierhaltung sowie das Ziel der Erhöhung des schichtenübergreifenden Lebensstandards führten zum kometenhaften Aufstieg der "Nutztier"industrie. Dies kann am Beispiel der Hühnerindustrie deutlich gemacht werden. Noch bis fast zur Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Haltung von Hühnern zur Herstellung von Fleisch ungewöhnlich und diente vorrangig der Eierproduktion. Hühnerfleisch war deshalb ein Luxusgut. Dies änderte sich Ende des 19. Jahrhunderts. Der aus New Jersey stammende Joseph P. Wilson revolutionierte die Aufzucht von Küken, indem er einen Inkubator erfand, der mit heissem Wasser angetrieben wurde und bis zu 400 Eier auf einmal beherbergen konnte. Da der neue Inkubator die Aufzucht vieler Küken gleichzeitig ermöglichte, begann Wilson, sie über längere Strecken mit der Bahn zu transportieren und Bauern zu beliefern, die nicht in der Nähe wohnten. 1918 existierten in den USA bereits 52 Brütereien, neun Jahre später waren es mehr als 10’000. Je grösser die Nachfrage wurde, desto mehr konkurrierende Brütereien und Aufzuchtbetriebe öffneten ihre Tore, die den Preis für Hühnerfleisch kontinuierlich zu senken versuchten. 1925 wurden im Staat Delaware 50’000 Hühner zu Nahrungszwecken verkauft und getötet und 1934, knapp 10 Jahre später, waren es sieben Millionen.11 Das Modell der intensiven Haltung sowie der Fortschritt in der genetischen Veränderung der Tiere wurde von den USA in andere Industrieländer exportiert und führte dazu, dass Hühnerfleisch sich vom Luxusgut zu einem der günstigsten Nahrungsmittel transformierte.12 Offene (sowie oftmals auch verdeckte) Befreiungen versuchen diese Entwicklung transparent zu machen.

b.) Der Drang, die Wahrheit ans Licht zu bringen: Verdeckte Aufnahmen als effektives Mittel für den Tierbefreiungsaktivismus

Die Entwicklung zur intensiven Nutztierhaltung führte dazu, dass die Tierbefreiungsbewegung ab Mitte der 1990er Jahre strategisch auf Bild- und Videoformate setzte.13 Bildmedien sollten dazu verhelfen, Konsument:innen einen Einblick in die Industrie zu geben und sie so nahe wie möglich an die Realität heranzuführen. Dass solche Strategien wirksam sind, konnte die Bewegung bereits beweisen. Eines der berühmtesten Beispiele ist die Veröffentlichung und Dokumentation der Befreiung des Bärenmakaken Britches durch ALF-Aktivist:innen (mehr zu Britches Befreiung steht im Artikel zu der ALF). Nicht nur Tierbefreiungsorganisationen integrierten diese Strategie. Auch Privatpersonen drehten amateurhafte Videodokumentationen. Steve Hindi beispielsweise, Gründer der Organisation SHowing Animals Respect and Kindness (SHARK), war einer der Ersten, der Rodeos, Stierkämpfe und die Schlachtung von Pferden aufzeichnete und durch die Videos Proteste auslöste und Druck auf Behörden ausübte. Hindi vertritt die Idee, dass Menschen nur mit konfrontativen Kampagnen und explizitem Bildmaterial dazu veranlasst werden, Tierquälerei abzuschwören. Ähnlich wie bei Mark entsprang auch Hindis Einstellungen aus der Erkenntnis, dass Behörden keine Untersuchungen veranlassten, wenn sie nicht unter öffentlichem Druck standen.14 Videobeweise sind strategisch deshalb nicht nur sinnvoll, die Meinung der Öffentlichkeit zu beeinflussen, sondern auch gewisse staatliche Institutionen zur Verantwortung zu ziehen.15 In diesem Punkt schneiden sich verdeckte und offene Befreiungen.

Der ideologische Ansatz: Grundpfeiler der Open Rescue

Der Erfolg der Open Rescue war in Australien anfangs gross und läutete eine neue Ära des Aktivismus ein. Heute wird die Aktionsform in vielen Teilen der Welt angewandt. Alle Organisationen oder Individuen, die Open Rescues ausführen, betrachten folgende Kriterien als essenziell für eine offene Tierbefreiung:

1.) Tierbefreiung: Es müssen ein oder mehrere nicht-menschliche Tiere befreit werden. 2.) Gewaltlosigkeit: Alle Formen der Gewalt, einschliesslich dem Beschädigen von Eigentum, werden abgelehnt. Die einzige Ausnahme ist, wenn Eigentum beschädigt werden muss, um an die nicht-menschlichen Tiere zu gelangen. 3.) Veröffentlichung: Video- oder Bilddokumentationen müssen entweder durch konventionelle Medien, Aktivistenpresse oder Social Media öffentlich gemacht werden. 4.) Offenlegung der Identität: Mindestens eine Person muss sich zu der Aktion bekennen.16

Die Open Rescue baut vor allem auf der dritten und vierten Richtlinie. Sie ist bei ALF-Aktionen nur fakultativ oder kann sogar vernachlässigt werden, wenn ihre Durchführung zukünftigen Aktivismus gefährdet. Es gibt zwar auch viele ALF-Aktionen, die ihren Weg in die Öffentlichkeit fanden (so wie die Befreiung von Britches) - Open Rescues müssen aber immer veröffentlicht werden, da das essenzielle Kriterium der Bekennung nur funktioniert, wenn die Aktion und die Identitäten der Aktivist:innen entweder durch konventionelle Medien oder soziale Netzwerke publiziert wird.

Es versteckt sich aber noch eine weitere Überlegung hinter der Demaskierung: Normalisierung. Marks Ziel war es neben der Befreiung nicht-menschlicher Tiere, deren Entwendung als Tugend und nicht als Straftat zu inszenieren. Tierbefreiungen seien ein Akt der Zivilcourage, der weder verdeckt noch im Geheimen stattfinden soll. Bilder von maskierten Aktivist:innen, so Mark, geben den Betrachter:innen das Gefühl, dass etwas getan wird, was falsch und erklärungsbedürftig ist. Mit der offenen Befreiung von Tieren versuchte Mark diese Rhetorik umzukehren und die "kriminelle" Komponente der Aktionen durch die Notwendigkeit zur dringenden Hilfeleistung zu entkräften:

"Clearly we were not breaking the law by giving aid to animals who were trapped and slowly starving to death and in great torment".17

Michal Kolesár, ein in Tschechien aktiver Open Rescue-Aktivist, vertritt dieselbe Auffassung wie Mark. Er identifiziert die Offenlegung der Identität nicht nur als Mittel, grössere Teile der Konsument:innen zu erreichen, sondern er sieht keinen Grund sich zu maskieren, wenn seine Tat moralisch richtig ist:

I do not respect the status quo that protects, supports and legitimizes animal abuse. I do not run away, I do not hide my identity, I say my name to a camera, I say my ID number, I publish the recordings from the actions. It is easier to identify with the horror of the slaughterhouse (which makes my fists clenched so much I could die) when what can be seen is a real human face that shares the sheer dread with the animals.18

Gesetze, die die Ausbeutung und Gewalt gegenüber nicht-menschlichen Tieren legitimieren, werden von Aktivist:innen wie Kolesár und Mark nicht anerkannt. Kolesár hebt zudem heraus, dass Open Rescues aus strategischer Sicht verdeckten Befreiungen vorzuziehen seien, weil die Reaktionen und Emotionen, die die Aktivist:innen zeigen, von Betrachter:innen der Bildmaterialen verstanden werden und zu mehr Empathie führen.18 Demaskierung und vollständige Gewaltlosigkeit nehmen den Aktionen die militante Komponente und lassen sie einfacher unter Akte des zivilen Ungehorsams einordnen.

Es werden häufig vier Kriterien aufgeführt, der ziviler Ungehorsam beinhalten muss:

  • Gesetzesbruch: Ziviler Ungehorsam besteht notwendigerweise aus einer gesetzeswidrigen Handlung.19 Diesen Bestand erfüllen offene sowie verdeckte Befreiungen.
  • Gewissenhaftigkeit: Die Aktion dient dazu aufzuzeigen, dass gewisse Gesetze, die unmoralische Praktiken zulassen oder schützen, falsch sind. Auch dieses Kriterium können beide Arten der Tierbefreiung erfüllen. Open Rescue-Aktivist:innen können sich direkt dazu äussern und Stellung nehmen, während ALF-Aktionen Signaturen oder Graffitis nutzen, um ihren Unmut über gewisse Gesetze auszudrücken.
  • Kommunikation: Die Aktivist:innen müssen ihre Anliegen und Forderungen publik machen und Stellung nehmen können. Open Rescues nutzen neben konventionellen und Social Media Verhaftungen und Gerichtstermine, um auf ihre Sache aufmerksam zu machen.20 Dieser Aspekt der Kommunikation ist bei verdeckten Aktionen abwesend, da die Beteiligten aufgrund der Anonymität nicht persönlich reagieren und offen Stellung nehmen können oder wollen.
  • Gewaltlosigkeit: Zerstörung von Eigentum zählt im Diskurs um den zivilen Ungehorsam fast immer als Form von Gewalt (Sachbeschädigung wird als unzivil betrachtet). Da die Anwendung von Gewalt den zivilen Charakter der Aktion untergräbt, werden Aktionen, die Sachbeschädigung beinhalten, nicht dem Konzept des zivilen Ungehorsams zugeordnet. ALF-Aktivist:innen zerstören oft Infrastruktur der Zielpersonen, um neben der Befreiung finanziellen Schaden zu generieren.21 Open Recue-Aktivist:innen lehnen Sachbeschädigung ab.

Die Open Rescue erfüllt somit jedes Kriterium, um dem zivilen Ungehorsam zugeordnet werden zu können.

Kolesár Kolesár bei einer offenen Befreiung.29

Open Rescue Patty Mark und weitere Aktivistinnen bei einer offenen Befreiung.

Der repräsentative Ansatz: Die Abgrenzung zur ALF

Die Enthüllung der Identität ermöglichte den Medien die Motivationen der Aktivist:innen zu ergründen und über die Bild- und Videobeweise zu sprechen.22 Wo ALF-Aktionen medial oftmals mit Konzepten wie „Terrorismus“ und Beschreibungen wie „Tierrechtsextremismus“ und „Radikalismus“23 in Verbindung gebracht werden, sind Open Rescue-Aktivist:innen schwieriger zu dämonisieren, da sie öffentlich für ihr Anliegen einstehen und sich erklären können.24

Mark war der Auffassung, dass der Ruf der militanten Tierbefreiungsbewegung unter ihrer Einordnung als terroristische Gefahr gelitten hat. In vielen Ländern zählt die ALF als inländische öko-terroristische Gruppierung.25 Mark reagierte bewusst auf dieses Problem, indem sie nicht nur ihre Identität preisgab und somit in der Lage war, Tierbefreiungen den illegitimen Charakter zu nehmen:

"There is a fear of violence, a sense that these cloak-and-dagger style operations have no place in a “civilized” society. It is the activists, in other words, that tend to be envisioned as the ones causing harm in this version of events." (Keri Cronin in einem Artikel über Mark)2

Die Ablehnung jeglicher “Gewalt” ist für Mark essenziell, um die Hauptziele der Open Rescue so effizient wie möglich zu erreichen. Nur, wenn weder Mensch, Tier oder Eigentum geschädigt und somit die Freiheit aller respektiert wird, sei es möglich, auf positivem Wege Veränderung herbeizuführen.26 Die Kombination aus Offenlegung der Identität und strikter Gewaltlosigkeit sollen dazu beitragen, dass die Open Rescue medial und öffentlich positivere Resonanzen als ALF-Tierbefreiungen erhält oder zumindest weniger Angriffsfläche für die Anwendung von zeitgenössischen Terrorismus-Konzepte bietet.27

Mark hat diese Unterscheidung bereits früh gezogen. Bei einem internationalen Treffen, dem United Poultry Concern Forum On Direct Action for Animals in New York im Jahre 1999, stellte Mark die Vorteile der Open Rescue amerikanischen ALF-Aktivist:innen vor. Mark zeigte in dieser Konferenz zwei Videos. Eines zeigte eine ALF-Befreiung von Labortieren in Minnesota und eines bildete eine Open Rescue von Legehennen in Australien ab. Die Aktivst:innen sahen sich beide Videos an und analysierten die Wirkung, die die Bilder auf sie hatten. Die Anwesenden fassten die Open Rescue mehrheitlich positiv auf und betonten, dass ihnen die Aktivist:innen sympathisch erschienen und die Offenheit Identifikation förderte. Im Gegensatz dazu beurteilten die Aktivist:innen die ALF-Aktion aufgrund der kompletten Verhüllung und der hastigen Kamerabewegungen als bedrohlich. Marks scharfe Trennung zwischen militanten und nicht-militanten Tierbefreiungen war umstritten. In der Diskussion der Videos bemerkten die Aktivist:innen, dass die eher negative Auffassung der ALF-Aktion nicht zwingend aus der Anonymität resultieren muss, sondern damit erklärt werden kann, dass das sterile, weisse Labor und die dreckige, laute Batterienanlage eine gänzlich andere Wirkung erziele. Dazu kommt, dass die ALF und die Open Rescue-Bewegung verschiedene Ziele verfolgen. Die Offenlegung der Identität zielt auf mediale Aufmerksamkeit ab. Das übergeordnete Ziel der ALF ist jedoch nicht die Veröffentlichung von Bildmaterial, sondern die langfristige Befreiung von nicht-menschlichen Tieren durch Öko-Sabotage.28

Ein Ausblick in die Zukunft der Open Rescue: Personenkult, Selfies mit leidenden Tieren und Staatsrepressionen

Wie erfolgreich sind Open Rescue-Aktionen? Genau wie bei verdeckten Befreiungen ist die direkteste Folge ein Leben in Freiheit für die befreiten Tiere. Die Menge an geretteten Individuen ist bei Open Rescues aber zwangsweise niedriger als bei klassischen ALF-Aktionen. Dies auch, weil das offene Format sich besser für die Befreiung von kleineren Tieren wie Legehennen oder Kaninchen eignet. Die Offenlegung der Aktion geht immer mit der Gefahr einher, dass Behörden die geretteten Tiere suchen und wieder zurückbringen. Da Kleintiere schwieriger rückverfolgt und identifiziert werden können, ist die Gefahr niedriger, dass die Tiere wieder in Gefangenschaft geraten. Verdeckte ALF-Aktionen sind somit eher in der Lage, auch andere Tiere wie Schweine, Rinder, Schafe und Labortiere zu retten.30 Eine weitere Folge der Open Rescues ist die Förderung des öffentlichen Diskurses über die Legitimität von zeitgenössischen Farmpraktiken, die Aufdeckung von Missständen sowie die Normalisierung von illegalen Befreiungen.31 Die Gesetzeslage nachhaltig ändern, konnte die Open Rescue bis auf eine Ausnahme aber nicht. Selbst nach jahrelangem legalem Lobbying, gefolgt von illegalen Aktionen und vielen Open Rescues, besteht die Batterienhaltung in Australien immer noch.32

Im Folgenden werden mögliche Schwierigkeiten und Probleme – strategische sowie ideologische – der Open Rescue diskutiert.

(1) Sympathieträger und mediale Berichterstattung: Den Medienrummel, den die Aktionen rund um die Alpine Poultry ausgelöst hatten, hielt nicht an. Aktivist:innen sind von der Gunst der Medien abhängig, da diese entscheiden, über welche Aktion berichtet wir und in welchem Umfang. EDie Medien ziehen Tierbefreiungs-Geschichten entweder an charismatischen Personen auf (wie im Falle von Mark, die in Australien nationale Bekanntheit hat)34 oder machen sie an provokanten und kontroversen Aktionen fest (z.B. DxEs Handlungen gegen den angeblich tierfreundlichen Konzern Whole Foods). Die Schaffung charismatischer Sympathieträger:innen oder die stetige Intensivierung von Aktionen ermöglicht es den Medien, eine Konsistenz in die Berichterstattung einzubringen, die die Aktionen interessanter macht. Eher unbekannte, lokale und wenig vernetzte Aktivist:innen haben nur geringe Chancen auf eine ausgiebige und positive Berichterstattung über ihre Open Rescue.

(2) Gegenangriffe von Landwirten: Gezielte Gegenmassnahmen von Bauern führen dazu, dass Berichterstattungen erschwert werden. In einem Interview aus dem Jahre 2004 äusserte sich Mark zur aktuellen Situation der Open Rescue und berichtete, dass die Berichterstattungen über ihre Befreiungen vermehrt auf Desinteresse stossen und sie Schwierigkeiten hat, überhaupt noch in nationale Medien zu gelangen.27 Mark zufolge hängt diese Entwicklung damit zusammen, dass Landwirte Aktivist:innen nicht mehr wegen kleineren Vergehen anzeigen oder Anzeigen fallen lassen, bevor ein Gerichtstermin ausgemacht wird.4 Da vor allem die auf die Aktionen folgenden Gerichtsprozesse ausgiebig von den Medien dokumentiert wurden, können Bauern und Landwirtschaftsverbände die für sie negativ ausfallende Berichterstattung vermeiden, wenn sie den Aktivist:innen keine zusätzlichen Plattformen schaffen, um Videos zu zeigen und über die Misstände der intensiven Nutztierhaltung zu sprechen.

(3) Der Einsatz von Social Media: Viele junge Open Rescue-Aktivist:innen antworten auf diese zwei Herausforderungen, indem sie versuchen, sich weniger von konventionellen Medien abhängig zu machen. Jüngere Aktivist:innen nutzen vorwiegend die Social Media Plattform Instagram, um Bilder und Videos von Tierbefreiungen zu verbreiten. Instagram basiert ausschliesslich auf dem Teilen von Bildmedien. Ein Nutzer kann dabei ein Bild oder ein Video öffentlich teilen und mit Hashtags versehen. Dadurch ist das Bild nicht nur für Personen sichtbar, die dem Nutzer folgen, sondern auch für diejenigen, die sich Bilder, die mit einem bestimmten Hashtag versehen sind, ansehen. Damit erzielen Aktivist:innen eine grössere Reichweite. Die Schweizer Tierrechtsorganisation „Pour l’Égalité Animale” (PEA) beispielsweise, hat 2017 eine verdeckte Untersuchung in Pouletmastbetrieben der Marke Optigal, die zu der Migros-Gruppe gehört, durchgeführt. PEA hat Bilder und Videos dieser Aktion über Instagram geteilt und mit Hashtags wie #migros #pouletsuisse #optigal versehen und mit dem Instagram-Profil der Migros verlinkt.35

Die Posts der Open Rescue-Aktivist:innen auf Social Media unterscheiden sich in der Darstellung sowie Beschreibung nicht sonderlich von konventionellen Hit-Reports der ALF. Aktivist:innen posten meistens Bilder, auf denen sie und das gerettete Tier abgebildet sind, gefolgt von einem Kommentar über die Lebensverhältnisse und warum diese schädlich oder grausam sind. Aktivist:innen sind somit in der Lage selbständig konstante Berichterstattungen zu liefern und sind nicht vom Publikationsinteresse der Medien abhängig.

Die Publikation von Aktionen über soziale Medien hat auch ihre Schattenseiten. Verschiedene Aktivist:innen sehen sich mit Vorwürfen konfrontiert, die Aktionsform der Open Rescue als auszunutzen, um sich zu profilieren und Followers zu gewinnen. Ein australisches Model beispielsweise, präsentierte ihren 70’000 Followern auf Instagram Videos einer Rettungsaktion von Ferkeln. Einen Tag nach der Aktion veröffentlichte sie ein Foto von sich und dem Ferkel auf ihrem Grundstück. Durch den Post waren Behörden in kürzester Zeit in der Lage, die Aktivistin ausfindig zu machen. Die Schweine wurden retourniert und getötet.36

Eine wiederkehrende Kritik an der Aktionsform ist ihre Darstellung. Nicht nur werden Aktivist:innen beschuldigt, das Leiden nicht-menschlicher Tiere zu nutzen, um sich selbst einen Heldenstatus zu verleihen, sondern auch aktiv speziesistische Normen zu befördern. Open Rescue Aktivist:innen argumentieren, dass ihre Anwesenheit auf den Bildmaterialen eine Berechtigung habe, da die Integration von Menschen in den Bildern zu einem gesteigerten Interesse führen soll. Vor allem die ALF, die auch aus ideologischen Gründen den Menschen von Tierbefreiungen abstrahieren möchte, befürchtet, dass Tiere somit eher als passive Requisite als als aktive Akteure für ihren eigenen Befreiungskampf portraitiert werden. Die Kritik an der Open Rescue ist mit dem White-Saviour Komplex vergleichbar, eine Bezeichnung die auf weisse Menschen referiert, die beispielsweise in Länder Afrikas reisen, um sich als selbsternannte Retter:innen zu inszenieren. Marginalisierte Mensche werden dabei oftmals als rückständig, unqualifiziert und hilflos dargestellt – wobei der Anschein geweckt wird, dass nur die weisse Person in der Lage ist, Fortschritt zu bringen oder Hilfe zu leisten. Der White-Saviour Komplex reproduziert und verstärkt postkoloniale Machtstrukturen, indem nicht die Stimmen und die bereits geleistete Arbeit von den Menschen vor Ort verstärkt und der Fokus auf ihren Kampf gelegt wird, sondern die – ironischerweise – meist unqualifizierte weisse Person ausschliesslich aufgrund ihrer "Weissheit" ins Zentrum gerückt wird. Kritiker:innen von Open Rescues sehen Parallelen zum Saviour-Kompex, da die bereits marginalisierte Gruppe von Lebewesen, die nicht-menschlichen Tiere, in den Hintergrund gedrängt wird und der Mensch sich als primäre Figur in den Vordergund des Befreiungskampfes stellt. Die weit verbreitete Vorstellung, dass nicht-menschliche Tiere keine Akteurschaft tragen und komplett hilflos sind, kann somit verstärkt werden, da der Mensch die aktive Rolle des Retters und Befreiers ausführt. Auch bei ALF-Aktionen werden nicht-menschliche Tiere von Menschen befreit. Viele ALF-Aktivist:innen wenden aber ein anderes Narrativ an, wenn sie über Befreiungen sprechen. Sie definieren ihre Rolle nicht primär als “Befreier” sondern als Hilfeleister, um den nicht-menschlichen Tieren, die tagtäglich individuellen und kollektiven Widerstand in Farmen, Laboratorien und Schlachthäusern leisten, in ihrem Befreiungskampf zu assistieren.

Instagram Bild Die Aktivistin posierte mit dem geretteten Ferkel und gefährdete somit seine Sichherheit und Freiheit. Viele ALF-Aktivist:innen kritisieren die Ausführung von Open Rescues. Es wird den Aktivist:innen vorgeworfen, das eigene Image und die Selbstinszenierung über das Wohl des befreiten Individuums zu setzen oder seine Ausbeutung sogar als Mittel zum Zwecke zu nutzen.

Leah Doellinger Die Aktivistin Lea Doellinger bei einer Open Rescue. Durch die Offenlegung ihrer Identität und die Verbreitung der Bilder über soziale Medien wurde Leah bereits mehrere Male verhaftet. Sie hat über 32'000 Followers auf Instagram und ihre Beiträge wurden regelmässig geteilt und weiter verbreitet.

(4) Staatsrepression: Im Jahre 2006 erweiterten die USA die rechtlichen Folgen von illegalem Tierbefreiungsaktivismus und ordneten radikale Formen davon (darunter Diebstahl, das Betreten fremden Eigentums und Tierbefreiungen) unter dem Animal Enterprise Terrorism Act (AETA) ein.37 Eine ähnliche Entwicklung ist auch in Australien zu beobachten. Am 1. August 2019 beschloss das australische Parlament eine Strafrechtsänderung zum Schutz von Landwirten zum Criminal Code Act 1995 hinzuzufügen. Das neue Gesetz beinhaltet zwei neue Vergehen. Das erste ist das unbefugte Betreten fremden Grundstücks und das zweite das Zerstören, Verändern oder Stehlen von landwirtschaftlichem Eigentum. Beide Vergehen sind mit dem Umstand verknüpft, dass Aufnahmen von den Farmen und Orten gemacht und durch Plattformen wie Social Media, Webseiten oder Blogs geteilt werden. Jemand, der des widderrechtlichen Betretens von landwirtschaftlichem Grundstück als schuldig gesprochen wird, muss neuerdings mit 12 Monaten Gefängnisstrafe rechnen. Aktivist:innen, die sich im Rahmen von offenen oder verdeckten Tierbefreiungen schuldig machen, können sogar bis zu fünf Jahre Gefängnisstrafe erhalten.38

Das Gesetz zielt nicht darauf ab, Landwirte vor physischen Angriffen zu schützen, sondern es wirkt der Schädigung von landwirtschaftlichen Primärproduktionsgeschäften durch Veröffentlichung von illegal gewonnenen Videos und Bildern entgegen.39 Zu erklären ist die Verschärfung des Gesetzes in Australien mit der Zunahme der Häufigkeit von illegalen Aktionen sowie durch eskalierende Taktiken.40 In Australien folgte das neu lancierte Gesetz auf zahlreiche Massenaktionen, in denen Aktivisten entweder Farmen besetzten, nicht-menschliche Tiere befreiten oder in Städten protestierten. In einer Aktion vom März 2019 zum Beispiel, besetzten über 150 Aktivisten einen Milchbetrieb und streamten die Zustände, die sie dort vorfanden, über Instagram und Facebook live, wodurch die Aufnahmen auch in Zeitungen gelangten. Ein weiterer Faktor, der zu erhöhter Spannung zwischen Aktivist:innen und Landwirt:innen führte, ist der in 2018 erstmals ausgestrahlte Film „Dominion”, der über die verschiedensten Arten, wie nicht-menschliche Tiere für menschliche Zwecke genutzt und missbraucht werden, aufklärt. Viele Aufnahmen aus australischen Massentierhaltungsfarmen sind durch versteckte Kameras, Drohnen oder illegale Untersuchungen aufgezeichnet worden.

Des Weiteren hat die australische Non-Profit Organisation „Aussie Farms”, die aufgrund ihrer gut dokumentierten Untersuchungen in Massentierhaltungsfarmen und Schlachthöfen zu internationaler Bekanntheit gelangte, 2019 eine virtuelle Karte, auf der über 6’000 Nutztierbetriebe und Schlachthöfe abgebildet sind, veröffentlicht. Die Karte diene laut Aussie Farms dazu, mehr Transparenz zu schaffen, da Adressen von Mastanlagen und Schlachthöfen meistens nicht einfach ausfindig zu machen sind.41 Nachdem Aussie Farms die Karte zur Verfügung stellte, häuften sich Vorfälle, in denen Aktivist:innen in Farmen einbrachen und Bilder veröffentlichten. Der Verband MLA (meat and livestock), die NFF (National Farmer’s Federation), sowie die Red Meat Industry veröffentlichten umfangreiche Artikel über die potentiellen Gefahren, die Landwirt:innen durch die Veröffentlichung der interaktiven Karte zu befürchten haben. Die Verbände appellierten an die Regierung, die Landwirtschaft vor Angriffen der Aktivist:innen zu schützen.42 Vor allem die NFF hat Landwirt:innen und Bevölkerung dazu aufgefordert, aktiv gegen Aktivist:innen vorzugehen und boten Strategien an, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Diese Handlungsempfehlungen umfassten das Einreichen von Beschwerden auf Facebook über die von Aussie Farms veröffentlichte Inhalte, die Ermutigung, Anzeigen bei der Polizei über die illegal aufgenommene Bilder von Aussie Farms einzureichen sowie Lobbying und Beschwerdebriefe an Behörden.43 Der australische Premier Minister Scott Morrison stellte sich auf die Seite der Landwirt:innen. Nach der Veröffentlichung der Karte und nationalen Protesten von Tierrechtsaktivist:innen bezeichnete der Premier die Aktivist:innen als „shameful and un-Australian”.44 Morrisons Grund für die Unterstützung der Bauern war nicht nur seine persönliche Ablehnung des Tierrechtsaktivismus. Die sich häufenden Zusammenstösse zwischen Aktivist:innen und Farmern erhöhten den Druck der Agrarverbände auf Morrison. Morrison antwortete auf den erhöhten Druck und sicherte zu, dass er die Gesetze, die die Bestrafung von Aktivist:innen regeln, intensivieren würde – mit speziellem Fokus auf Personen, die illegal gewonnene Medien oder Informationen im Internet teilen: “Those laws have been introduced to criminalise these actions of these cowardly keyboard warriors who incite crimes”,45 so Morrison. Des Weiteren setzte Morrsion bei den bevorstehenden Wahlen auf die Unterstützung der Agrarindustrie. Um diese Unterstützung nicht zu verlieren, musste Morrison die Spannungen zwischen den Aktivist:innen und Farmern unter Kontrolle bekommen. Das neue Gesetz unterdrückt somit die Organisation über das Internet und bedeutet die Verhärtung von Strafen für widerrechtliches Betreten von Eigentum, das seit Aussie Farms Publizierung der Karte massiv angestiegen ist.46

An vielen Orten auf der Welt entwickeln sich härtere Repression gegenüber Tierbefreiungsaktivist:innen. Obwohl mehr Aktivist:innen sich an Open Rescue-Aktionen beteiligen, muss damit gerechnet werden, dass wieder vermehrt zu verdeckten Operationen zurückgegangen wird, wenn sich die Gesetzeslage verändert und Aktivist:innen zu härteren Strafen verurteilt werden. Open Rescues und verdeckte Aufnahmen konnten zwar nur limitiert rechtliche Veränderungen erzwingen – diese Form von Aktivismus schafft aber die Möglichkeit, dass Fälle von Tierleid an die Öffentlichkeit gelangen und die Konsument:innen sowie die verantwortlichen Produzenten, Lieferanten und Abnehmer direkt konfrontiert und verantwortlich gemacht werden. Eine Zunahme von Staatsrepressionen gegen verdeckte Aufnahmen und offenen Tierbefreiungen wird vor allem auf Kosten der nicht-menschlichen Tiere gehen und die korrupten, lebensverachtenden Machenschafften der Fleisch- und Tierausbeutungindustrie kriminalisieren und somit verschleiern.


  1. Villanuevo, Gonzalo, A Transnational History of the Australian Animal Movement, 1970–2015, Bochum 2018, S. 144f.
  2. Cronin, Keri, Fierce and Fearless: Patty Mark’s Unique Approach to Animal Liberation, in: Unbound Project, 03.10.2016, https://unboundproject.org/patty-mark/ (zuletzt besucht am 10.10.2019), Opening Doors and Eyes to Animal Suffering, The Abolitionist Interview with Patty Mark, in: Satya Magazin, 03.2004, http://www.satyamag.com/mar04/mark.html (zuletzt besucht am 13.10.2019).
  3. Phelps, Norm, The Longest Struggle. Animal Advocacy from Pythagors to PETA, New York 2007, S. 294f., Contractor, Aban, Video footage shows battery hens living in filth, in: The Canberra Times, 24.08.1995, S. 5., Fuller, Jacqueline, Four arrested during raid on egg farm, in: The Canberra Times, 21.10.1995, S. 3.
  4. Unbound, https://unboundproject.org/patty-mark/
  5. Opening Doors and Eyes to Animal Suffering, The Abolitionist Interview with Patty Mark, in: Satya Magazin, 03.2004, http://www.satyamag.com/mar04/mark.html (zuletzt besucht am 13.10.2019).
  6. Aaltola, Elisa, Animal Suffering: Representations and the Act of Looking, in: Anthrozoös, Bd. 27, Nr. 1, S. 19 – 31, hier S.29.
  7. Productivity Commission 2005, Trends in Australian Agriculture, Research Paper, Canberra 2005, S. 32, https://www.pc.gov.au/research/completed/agriculture/agriculture.pdf.
  8. Ebd., S. 42f.
  9. Franklin, Adrian, Animals and Modern Cultures, A Sociology of Human-Animal Relations in Modernity, London 1999, S. 126f.
  10. Ebd., S. 131.
  11. Gordon, John Steele, The Chicken Story, in: American Heritage, Bd. 47, Nr. 5, 1996, https://www.americanheritage.com/chicken-story (zuletzt besucht am 23.10.2019).
  12. History of the Industry in Australia, in: Australian Chicken Meat Federation, 2018, https://www.chicken.org.au/history-of-the-industry-in-australia/ (zuletzt besucht am 30.10.2019).
  13. Phelps, Norm, The Longest Struggle, S. 292.
  14. SHARK: Showing Animals Respect and Kindness, http://www.sharkonline.org/index.php/about-shark/our-methods (zuletzt besucht am 09.11.2019).
  15. Phelps, Norm, The Longest Struggle, S. 293f.
  16. Es existiert keine offizielle Open-Rescue-Guideline, da die Open Rescue eine Form des Aktivismus ist, die auch von Personen, die nicht zu einer grösseren Organisation gehören, ausgeführt werden kann. Ich habe die Kriterien anhand von bekannten Open Rescue-Organisationen und einzelnen Aktivisten, die sich in dieser Form am Tierbefreiungsaktivismus beteiligen, abgeleitet. Alle bekannten Open Rescue-Aktivisten und Organisation teilen dieselbe Meinung über die notwendige Befolgung der von mir herausgearbeiteten Kriterien. Unterschiedliche Auffassungen gibt es lediglich in der Art und Weise, wie Filmmaterial präsentiert wird und welche Stellung der Mensch in der Befreiung hat: Patty Mark, Michal Kolesár, DxE. Quellenverweise über Marks, Kolesárs und DxEs Auffassungen und ideologischen Vorstellungen sind im Verlaufe des Textes zu finden., Die australische Aktivistenpresse für Open Rescues: http://openrescue.org/about/index.html., Das internationale Netzwerk für Open Rescues: https://www.openrescues.com/about., Doellinger, Leah, [@leahdoellinger], in: Instagram, https://www.instagram.com/leahdoellinger/ (zuletzt besucht am 10.10.19)., Räddningstjänsten, The Rescue Service, http://www.raddningstjansten.org/english/ (zuletzt besucht am 11.11.2019)., Akandouch, Massin, [@mas8in], in: Instagram, https://www.instagram.com/mas8in/ (zuletzt besucht am 11.11.2019)., Soranno, Amy, [@amysoranno], in: Instagram, https://www.instagram.com/amysoranno/ (zuletzt besucht am 11.11.2019).
  17. Fuller, Jacqueline, Four arrested during raid on egg farm, in: The Canberra Times, 21.10.1995, S. 3.
  18. Kolesár, Michal, I don’t harm if I don’t have to, 2009, S.6, http://michalkolesar.net/?page_id=1371
  19. Betz, Joseph, Can Civil Disobedience Be Justified, in: Social Theory and Practice, Bd. 1, Nr. 2, 1970, S. 13-30, hier S. 13.
  20. Matthews, Kymberlie Adams, The Great Eggscape. The Satya Interview with Adam Durand, in: Satya Magazin, 10.2006, http://www.satyamag.com/oct06/durand.html.
  21. Brownlee, Kimberley, Civil Disobedience, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy, 2017, https://plato.stanford.edu/archives/fall2017/entries/civil-disobedience/ (zuletzt besucht am 10.12.2019). Die Kriterien stammen ausserdem aus den folgenden Seiten aus John Rawls Werk: Rawls, John, A Theory of Justice, Cambridge 1971, S. 363 – 390.
  22. Kolesar, http://michalkolesar.net/
  23. Villanuevo, Gonzalo, Transnational History, S. 147.
  24. Britain’s animal lovers turn to direct action, in: The Canberra Times, 16.01.1983, S. 9., Animal group admits plot, in: The Canberra Times, 15.11.1991, S. 6.
  25. Hsiung, Wayne, On the Importance of Open Rescue, Four Reason to get Serious about it, in: Direct Action Everywhere, https://www.directactioneverywhere.com/theliberationist/2015/1/9/on-the-importance-of-open-rescue-three-reasons-the-ar-movement-has-to-get-serious-about-liberation (zuletzt besucht am 10.12.2019).
  26. Monaghan, Rachel, Not Quite Terrorism: Animal Rights Extermism in the United Kingdom, in: Studies in Conflict & Terrorism, Bd. 36, Nr. 11, 2013, S. 933 – 951, hier S. 945., Zum Beispiel: Alleyne, Richard, The ALF is Known for Balaclava Clad Henchmen, in: The Telegraph, 12.01.2001, https://www.telegraph.co.uk/news/uknews/1314405/The-ALF-is-known-for-balaclava-clad-henchmen.html (zuletzt besucht am 24.11.2019); Bradley, Ed, Burning Rage, Reports On Extremists Now Deemed Biggest Domestic Terror Threat, in: CBS News, 10.10.2005, https://www.cbsnews.com/news/burning-rage/ (zuletzt besucht am 24.11.2019).
  27. Milligan, Tony, Gandhian Satyagraha and Open Animal Rescue, in: Woodhall, Andrew et. al, Ethical and Political Approaches to Nonhuman Animal Issues, London 2017, S. 227 – 246, hier S. 238.
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  30. Davanna, Tracey, The Animal Liberators’ Views, in: Fortnight, Nr. 379, 1999, S. 16-17.
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